Definition und Konzept:
Petri-Netze sind ein mathematisches Modell zur Beschreibung und Analyse von dynamischen, nebenläufigen (parallelen) und ereignisgesteuerten Systemen. Sie wurden in den 1960er Jahren von Carl Adam Petri entwickelt und finden breite Anwendung in der Informatik, Systemtheorie und insbesondere in der Automatisierungstechnik.
Ein Petri-Netz besteht aus zwei Arten von Knoten: Stellen (Places) und Transitionen (Transitions), die durch gerichtete Kanten miteinander verbunden sind. Stellen können „Marken“ (Tokens) tragen, die den Zustand des Systems repräsentieren. Transitionen „feuern“, wenn bestimmte Bedingungen (Marken in den Eingangsstellen) erfüllt sind, und verändern dabei den Zustand des Netzes (Marken werden aus Eingangsstellen entnommen und in Ausgangsstellen platziert).
Relevanz in der Automatisierungstechnik:
Petri-Netze werden in der Automatisierung zur Modellierung, Analyse und Verifikation von Prozessen eingesetzt, die durch Parallelität, Synchronisation und Ereignissteuerung gekennzeichnet sind:
- Modellierung von Prozessen: Darstellung komplexer sequenzieller und paralleler Abläufe in Produktionssystemen, Materialflusssystemen oder Robotik-Zellen.
- Analyse des Systemverhaltens: Untersuchung von Eigenschaften wie:
- Erreichbarkeit: Kann ein bestimmter Zustand erreicht werden?
- Lebendigkeit (Liveness): Kann das System sich aus jedem Zustand weiterentwickeln (keine Deadlocks)?
- Beschränktheit (Boundedness): Bleibt die Anzahl der Marken begrenzt (kein Überlauf)?
- Synchronisation: Wie können parallele Abläufe koordiniert werden?
- Formale Verifikation: Petri-Netze ermöglichen eine mathematisch fundierte Analyse von Systemen, um Fehler im Design frühzeitig zu erkennen, bevor sie implementiert werden.
- Programmgenerierung: In einigen Fällen können SPS-Programme (insbesondere in Ablaufsprachen wie AS/SFC) aus Petri-Netz-Modellen generiert werden.
- Fehlerdiagnose: Das Modell kann helfen, den Zustand des Systems zu verfolgen und Abweichungen zu erkennen.
Vorteile:
- Klare Darstellung: Grafisches Modell für komplexe Systeme.
- Analysefähigkeit: Ermöglicht die mathematische Analyse von Systemverhalten.
- Beherrschung von Parallelität: Geeignet für die Modellierung von nebenläufigen Prozessen.
Petri-Netze sind ein mächtiges Werkzeug für die Systemanalyse und das Design von robusten Automatisierungslösungen, insbesondere in der Forschung und bei der Entwicklung kritischer Systeme.
→ Siehe auch: Modellierung, Parallelität, SFC (Sequential Function Chart), Zustandsautomat, Ereignisgesteuerte Programmierung

