Definition und Zweck:
Die Gefährdungsbeurteilung ist ein systematischer Prozess zur Identifizierung und Bewertung aller potenziellen Gefahren und Risiken, die von einer Maschine, einer Anlage, einem Arbeitsplatz oder einem Prozess ausgehen können. Ihr Hauptzweck ist es, die notwendigen Maßnahmen (konstruktive, technische, organisatorische, persönliche) zu definieren, um diese Risiken auf ein akzeptables Niveau zu reduzieren.
Die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung ist in vielen Ländern gesetzlich vorgeschrieben (z.B. durch das Arbeitsschutzgesetz und die Betriebssicherheitsverordnung in Deutschland, oder die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG in Europa). Sie ist die Basis für die Entwicklung des Sicherheitskonzepts einer Maschine oder Anlage.
Ablauf und Inhalt:
Eine Gefährdungsbeurteilung umfasst typischerweise folgende Schritte:
- Identifizierung von Gefährdungen: Welche potenziellen Gefahren gibt es? (z.B. Quetschgefahren, Schnittgefahren, elektrische Gefahren, thermische Gefahren, Lärm, Absturz, Gefahrstoffe, Menschliches Versagen).
- Risikobewertung: Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Gefahr und des Ausmaßes des möglichen Schadens.
- Maßnahmenableitung: Definition von Schutzmaßnahmen gemäß der STOP-Prinzipien (Substitution, Technische Maßnahmen, Organisatorische Maßnahmen, Persönliche Schutzausrüstung).
- Technische Maßnahmen: Schutzeinrichtungen, Not-Halt-Systeme, sichere Steuerungen (funktionale Sicherheit).
- Organisatorische Maßnahmen: Schulung, Betriebsanleitungen, Zugangsregelungen.
- Wirksamkeitskontrolle: Überprüfung, ob die umgesetzten Maßnahmen die Risiken tatsächlich reduziert haben.
- Dokumentation: Alle Schritte der Gefährdungsbeurteilung müssen schriftlich festgehalten werden.
Relevanz in der Automatisierungstechnik:
Die Gefährdungsbeurteilung ist von entscheidender Bedeutung für Maschinenbauer und Anlagenbetreiber:
- Maschinensicherheit: Grundvoraussetzung für die CE-Kennzeichnung und die Einhaltung der Maschinenrichtlinie.
- Funktionale Sicherheit: Der ermittelte Risiko-Level (z.B. durch Risikographen) bestimmt den erforderlichen Safety Integrity Level (SIL) oder Performance Level (PL) der Sicherheitsfunktionen.
- Unfallverhütung: Schutz des Personals vor Verletzungen.
- Rechtliche Absicherung: Erfüllung gesetzlicher Pflichten.
- Design-Optimierung: Risikobetrachtung fließt bereits in die Designphase ein.
Eine sorgfältig durchgeführte Gefährdungsbeurteilung ist der erste und wichtigste Schritt zu einer sicheren Maschine.
→ Siehe auch: HazOp (Hazard and Operability Study), Funktionale Sicherheit, Maschinenrichtlinie, Sicherheit, Not-Halt, Schutzeinrichtung

