Definition und Konzept:
 Ein Digitaler Zwilling (engl. Digital Twin) ist ein virtuelles, dynamisches Abbild eines physischen Objekts (z.B. einer Maschine, einer Anlage, eines Produkts, eines Prozesses oder sogar einer ganzen Fabrik). Dieser virtuelle Zwilling ist durch eine Echtzeit-Datenverbindung mit seinem physischen Gegenstück verbunden.
Das Konzept geht weit über ein statisches 3D-Modell hinaus. Ein Digitaler Zwilling ist ein lebendiges, sich ständig aktualisierendes Modell, das nicht nur die Form, sondern auch das Verhalten, den Zustand und die Historie des physischen Assets widerspiegelt. Er ermöglicht die Analyse, Simulation, Überwachung und Optimierung des physischen Objekts in der virtuellen Welt.
Merkmale und Komponenten:
- Physisches Asset: Die reale Maschine oder Anlage.
- Virtuelles Modell: Eine genaue digitale Repräsentation des physischen Assets (3D-Modelle, Simulationsmodelle, Verhaltensmodelle).
- Echtzeit-Datenintegration: Bidirektionale Verbindung zwischen physischem und virtuellem Zwilling über Sensoren, IoT-Gateways und Kommunikationsprotokolle (z.B. OPC UA, MQTT).
- Datenanalyse und Analytik: Einsatz von Algorithmen, Machine Learning und Künstlicher Intelligenz zur Verarbeitung der Echtzeitdaten, um Erkenntnisse zu gewinnen und Vorhersagen zu treffen.
- Anwendungsfunktionen: Spezifische Softwareanwendungen, die auf dem Digitalen Zwilling aufbauen.
Relevanz und Anwendungsbereiche in Industrie 4.0:
 Der Digitale Zwilling ist ein grundlegender Baustein der Industrie 4.0 und ermöglicht eine Vielzahl von Vorteilen:
- Virtual Commissioning (Virtuelle Inbetriebnahme): Simulation des Verhaltens einer Maschine mit realem SPS-Code im digitalen Zwilling, bevor die physische Maschine gebaut wird. Reduziert die reale Inbetriebnahmezeit und Fehler.
- Predictive Maintenance (Vorausschauende Wartung): Analyse von Sensordaten des Zwillings zur Vorhersage von Maschinenausfällen und zur Optimierung der Wartungsplanung.
- Prozessoptimierung: Simulation von Prozessänderungen im Digitalen Zwilling, um Auswirkungen auf die reale Produktion vorherzusagen und zu optimieren.
- Qualitätssicherung: Überwachung der Produktqualität in Echtzeit und Identifizierung von Abweichungen.
- Schulung und Training: Realistische Simulation von Maschinenbedienung für Schulungszwecke.
- Produktentwicklung: Feedback aus dem laufenden Betrieb fließt direkt in das Design neuer Produkte ein (Digital Thread).
- Asset Performance Management: Maximierung der Leistung und Verfügbarkeit physischer Assets.
Führende Unternehmen wie Siemens (mit dem Digital Enterprise Portfolio), Beckhoff (mit TwinCAT) und AVEVA bieten umfangreiche Lösungen zur Implementierung Digitaler Zwillinge an. Der Digital Twin Consortium Standard fördert dabei die Interoperabilität.
→ Siehe auch: Asset Administration Shell, Virtual Commissioning, Predictive Maintenance, Industrie 4.0, IIoT (Industrial Internet of Things), Cyber-Physical Systems (CPS)

