Definition und Zweck:
Autotuning (oder Selbstoptimierung, Auto-Tuning) ist ein automatisiertes Verfahren, das in der Regelungstechnik eingesetzt wird, um die optimalen Parameter für einen Regler (meist einen PID-Regler) selbstständig zu bestimmen. Das Ziel des Autotunings ist es, die Qualität des Regelkreises zu verbessern, indem es die Einschwingzeit verkürzt, Überschwingen minimiert und eine stabile und präzise Regelung der Prozessgröße gewährleistet, ohne dass ein Ingenieur die Reglerparameter manuell einstellen und anpassen muss.
Traditionell erfordert die Einstellung von PID-Parametern (Proportional-, Integral-, Differenzialanteil) tiefes Fachwissen und ist oft ein zeitaufwändiger Prozess des „Trial and Error“. Autotuning-Funktionen, die in modernen Reglern, Frequenzumrichtern oder Servoverstärkern integriert sind, vereinfachen diesen Schritt erheblich.
Funktionsweise von Autotuning-Algorithmen:
Es gibt verschiedene Algorithmen für das Autotuning, die sich in ihrer Komplexität und Anwendbarkeit unterscheiden:
- Störungsanalyse (Step Response Method): Der Regler sendet eine kleine Störung (z.B. einen Sprung im Stellsignal) an die Regelstrecke und analysiert die Reaktion (Einschwingverhalten). Aus dieser Reaktion werden dann die optimalen PID-Parameter berechnet (z.B. nach Ziegler-Nichols oder Chien-Hrones-Reswick).
- Frequenzgang-Analyse: Der Regler sendet Signale unterschiedlicher Frequenz in die Regelstrecke und analysiert deren Amplitude und Phase, um den Frequenzgang zu bestimmen und daraus die Parameter abzuleiten.
- Modellbasierte Verfahren: Das System versucht, ein mathematisches Modell der Regelstrecke zu erstellen und basierend auf diesem Modell optimale Parameter zu berechnen.
Viele Autotuning-Verfahren können „Online“ (im laufenden Betrieb, oft im Hintergrund) oder „Offline“ (während der Inbetriebnahme, oft mit kurzzeitiger Prozessbeeinflussung) durchgeführt werden. Die erlernten Parameter können dann gespeichert oder kontinuierlich angepasst werden.
Vorteile und Anwendungsbereiche:
- Zeit- und Kostenersparnis: Deutliche Reduzierung des Engineering-Aufwands und der Inbetriebnahmezeit, da kein manuelles, iteratives Tuning erforderlich ist.
- Verbesserte Regelgüte: Automatisch ermittelte Parameter sind oft präziser als manuell eingestellte, was zu einer stabileren und effizienteren Prozessregelung führt.
- Einfachheit: Ermöglicht auch Anwendern ohne tiefgehende Kenntnisse der Regelungstechnik, optimale Ergebnisse zu erzielen.
- Anpassungsfähigkeit: Systeme können sich an veränderte Prozessbedingungen (z.B. variierende Lasten, Verschleiß) anpassen und die Parameter nachregeln.
Autotuning wird in vielen Bereichen der Automatisierung eingesetzt, insbesondere wo präzise Regelung erforderlich ist:
- Antriebstechnik: In Servoreglern und Frequenzumrichtern zur Optimierung der Geschwindigkeits- und Lageregelkreise.
- Temperaturregler: In Öfen, Heizsystemen, Klimaanlagen.
- Prozessregelung: Für Druck-, Durchfluss-, Füllstandsregelung in der Prozessindustrie.
- Robotik: Für die Feinabstimmung der Gelenkregler.
Autotuning ist somit ein wichtiger Schritt hin zu selbstoptimierenden und wartungsarmen Systemen in der Industrie 4.0.
→ Siehe auch: PID-Regler, Regelkreis, Regelungstechnik, Frequenzumrichter, Servomotor, Industrie 4.0
